RACE BANNON: Hört auf die Jungen

RACE BANNON: Hört auf die Jungen

von Recon News

25 Oktober 2021

Von Race Bannon

"Hört auf eure Älteren!" Wenn man eine Weile in der Leder- und Kinkszene unterwegs ist, hat man bestimmt schon einmal eine Version dieses Spruchs gehört. Da ich selbst ein „Älterer" bin (Übersetzung: ich bin alt und schon eine Weile dabei), gefällt mir dieser Gedanke. Wir alle möchten gerne gehört und respektiert werden.

Trotzdem denke ich, dass das unaufhörliche Mantra, das die Kink-Szene durchdringt, den Älteren unter uns zuzuhören, mit einer gleichen Anzahl „Hört auf die Jungen" ausgeglichen werden muss. Ja, die Jüngeren können uns allen viel beibringen, auch uns erfahrenen Community-Mitgliedern.

Die Schauspielerin Angela Bassett sagte einmal: „Es ist wichtig, sich mit guten Menschen, interessanten Menschen, jungen Leuten, jungen Ideen zu umgeben." Ich könnte dem nicht mehr zustimmen.

Im Lauf der Jahrzehnte, in dem ich Teil der Kink-Szene bin, habe ich festgestellt, dass viele meiner Freunde dazu neigen, junge Leute abzuwerten. Sie haben nicht genug Erfahrung. Wie können sie behaupten, dominant zu sein (oder jede andere Identität ihrer Wahl)? Es dauert Jahre, um das notwendige erotische Knowhow aufzubauen. Sie sind nicht echt (fügt eine Identität oder Rolle ein). Und eine Menge anderer Aussagen, die die Jungen ablehnen, strömen aus den Mündern viel zu vieler älterer Kinkster. Das ist nicht hilfreich. Tatsächlich ist es sogar schädlich.

Wenn ihr mich fragt, ich kann mich nicht erinnern, dass die Altersspaltung, die ich heute wahrnehme, in den 70er und 80er Jahren in gleichem Maße existierte, als ich zum ersten Mal die schwule amerikanische Welt der Ledermänner erkundete. Ich hoffe aufrichtig, dass der Grund darin liegt, dass unsere Szene immer mehr junge Leute in ihre Reihen zieht und daher mit einigen Generationenkonflikten zu rechnen ist.

Es scheint allgemein in der Gesellschaft, egal ob es darum geht, die Musik einer jüngeren Generation, ihre Kleidung, ihre Arbeitsmoral oder ihren Arbeitsstil, ihre Kommunikationsgewohnheiten oder eine Vielzahl anderer Beschwerden, ein beliebter Sport zu sein, diejenigen zu verunglimpfen, die ein paar Jahre weniger auf dem Buckel haben. Vielleicht liegt das einfach auch in der menschlichen Natur, aber es ist trotzdem eine falsche Entwicklung.

Schaut euch die großen sozialen Veränderungen zum Besseren an und ihre werdet sehen, dass viele von jüngeren Stimmen angegangen wurden. Warum sollten die Leder-, Kink- und Fetischszene anders sein? Sie sind es nicht. Während ältere Kinkster sicherlich einen wertvollen Erfahrungshintergrund und Wissen liefern können, sind es normalerweise die jüngeren, die jede Subkultur zu neuen Horizonten stoßen. Die Jüngere/Ältere Dynamik sollte die kontinuierliche Schaffung neuer Wege des Seins und Handelns ermöglichen. Sich in der Last der Tradition und Gleichheit festzufahren, widerspricht einer lebendigen und blühenden Kultur.

Jüngere Menschen sind von Natur aus abenteuerlustig. Zu erkunden ist ein Teil dessen, was es ausmacht jung zu sein. Es ist nicht verwunderlich, dass jüngere Kinkster neue Wege sexuell zu sein, neue erotische Identitäten und neue kulturelle Normen erkunden. Ob Puppy Play, die zunehmende Popularität bestimmter Fetische oder die Gear, die man trägt, jüngere Leute stoßen normalerweise an die Spitze solcher Trends.

Eine ermüdende Aussage, die ich im BDSM-Bereich unserer Szene häufig höre, ist, dass jüngere Kinkster unmöglich das notwendige BDSM-Knowhow haben können, um solche Dinge richtig zu machen. Quatsch.

Der beste Seilbondagepraktiker in meinem Umkreis ist in seinen 20ern. Einer der besten lokalen Single-Tail-Player ist in seinen 20ern. Ich habe eine großartige Lektion in den Feinheiten des Chastity-Plays von einem Mann in den Zwanzigern bekommen. Jüngere Gummifetischisten führen die lokale Rubber-Community. Auf Playpartys habe ich gesehen, wie 20-Jährige schöne, intime Szenen erschufen, während direkt neben ihnen ein 30-jähriger Veteran einfach das Programm abhakte.

Als ich mein Netzwerk jüngerer Kinkster fragte, welchen Rat sie älteren Kinkstern geben würden, erhielt ich Dutzende Antworten, und einige hatten denselben Tenor. Hier sind ein paar davon.

Denkt daran, ihr war auch einmal jung. Wenn eine ältere Person ernsthaft über ihr jüngeres Selbst nachdenkt, werden die Erinnerungen sie hoffentlich dazu bringen, sie freundlicher zu stimmen und mit mehr Verständnis und weniger verurteilend zu interagieren. Aus diesem Grund ermutige ich meine älteren Freunde, sich oft mit Menschen außerhalb ihres Alters zu treffen. Es fördert den Austausch von Ideen und Geschichten und hilft Altersgruppen, sich besser gegenseitig zu verstehen.

Hört niemals auf zu lernen. Bleibt aufgeschlossen. Erfahrene Spieler sagen Neulingen, dass sie nie aufhören sollen zu lernen. Dennoch stagnieren dieselben erfahrenen Spieler oft und hören selbst auf zu lernen. Die Neugier lässt manchmal mit dem Alter nach. Erinnert ihr euch an den Satz, der oft Frank Zappa zugeschrieben wird, dessen Ursprünge jedoch Jahrzehnte zurückreichen: „Der Geist ist wie ein Fallschirm. Er funktioniert nicht, wenn er nicht geöffnet ist."

Miteinschließen, nicht ausschließen. Bittet jüngere Leute, Gruppen und Projekte zu leiten. Beteiligt euch an der aktiven Öffnung, um jüngere Menschen in Veranstaltungen und Versammlungen miteinzubeziehen. Diversifiziert die Führung von Clubs, Organisationen und Veranstaltungen über das gesamte Altersspektrum hinweg. Stoppt das Ausschließen nach Alterskriterien. Wenn ihr älter seid und eine Führungsposition innehabt, führt die jüngeren Nachfolger heran und lasst sie schließlich euren Platz einnehmen.

Hört auf, ihnen zu sagen, wie sie sein sollen. Akzeptiert sie einfach. Kein Kinkster, egal ob älter oder nicht, hat das Recht, einem anderen Kinkster zu sagen, wie er sich kleiden soll, spielen soll oder zu identifizieren hat. Abgesehen von den Grundlagen der Zustimmung und des Respekts geht es niemanden etwas an, dass der Kink eines anderen so auszusehen hat wie der eigene. Vermeidet daher in Kneipen und auf Veranstaltungen hässliche Bemerkungen, die sich an jüngere (oder ältere) richten. Ich habe mehr als eine Geschichte darüber gehört, wie das Sammeln von Erfahrungen eines jungen Menschen durch einen einzigen negativen Kommentar eines älteren Menschen gestoppt und ihr Selbstvertrauen zerstört wurde.

Hört ihnen zu. Es gibt nicht den einen richtigen Weg, Dinge zu tun. Die Meinungen und Ideen junger Leute sind genauso gültig wie die von älteren Kinkstern. Während ihr offen seid zuzuhören, solltet ihr gleichzeitig auch eine Möglichkeit bieten, wie sie Input geben können, ohne dafür abgewertet zu werden.

Ich habe eine Menge Feedback erhalten, das vier weitere Artikel wie diesen füllen könnte, aber diese wenigen Themen fassen den Kern des Großteils davon zusammen.

Charles Darwin zeigte uns alles, dass wir uns anpassen müssen oder wir sterben, und nachfolgende Denker haben in vielen Variationen denselben Gedanken vertreten. George Bernard Shaw sagte einmal: „Fortschritt ist ohne Veränderung nicht möglich, und diejenigen, die ihre Meinung nicht ändern können, können nichts ändern." Die verworrene Welt, in der wir uns bewegen, ist nicht anders. Entweder ändert sie sich oder sie wird aufhören zu existieren. Entweder ändern wir uns oder wir sind nicht mehr relevant.

Winston Churchill hat einmal gesagt: „Sich zu verbessern heißt sich zu ändern; perfekt zu sein bedeutet, sich öfters zu ändern." Veränderung ist die einzige Konstante im Leben. Aus irgendeinem bizarren Grund verstehen das einige in unserer Szene nicht. Wie oft hört man das Wort „Tradition", um den Wandel zu unterdrücken? Wie oft hört ihr, dass selbsternannte Wächter der wahren Weise, versaut zu sein, den Weg eines anderen negieren? Es passiert die ganze Zeit und es ist ermüdend.

Der Historiker James Clifford schrieb einmal: „Kulturen halten nicht still für ein Porträt von sich". So wahr. Unsere Szene sieht oder funktioniert nicht mehr so wie in den 80er oder 90er Jahren. Unsere Szene wird in 10 oder 20 Jahren ganz anders aussehen und funktionieren als heute. So funktioniert das Leben. Veränderung. Neue Ideen. Neue soziale Konstrukte. Neue Identitäten. Neue Wege der Navigation innerhalb von Communitys. Ohne Veränderung ist das Ergebnis Stagnation.

Der Widerstand gegen Veränderungen scheint der Grund dafür zu sein, warum junge Stimmen erstickt werden. Deshalb konzentriere ich mich hier so sehr darauf, weil es oft der Anstoß zu sein scheint, die Jüngeren zur Seite zu drängen. Ich hoffe, wir hören damit auf.


*** Wenn ihr ein Fetisch- oder Kink-Erlebnis in einem Mitgliederartikel teilen möchtet, sendet eure Ideen oder einen ersten Entwurf an: social@recon.com

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