Locktober (und mehr) – Gedanken zum Thema Keuschheit

Locktober (und mehr) – Gedanken zum Thema Keuschheit

von Recon News

20 Oktober 2025

Von Dr Liam Wignall

Der Sommer ist vorüber und es ist offiziell Herbst, Halloween steht vor der Tür, es gibt Pumpkin Spice Lattés und alle fragen sich, wann Mariah Carey wieder aufgetaut wird. Doch für manche Menschen ist das Einzige, was sie beschäftigt, das Ende des Locktobers!

Einige von euch werden beim Lesen dieses Blogs verschlossen sein, andere sind vielleicht neugierig, und viele von euch denken womöglich: „Warum nur sollte sich jemand einschließen und sich selbst das Vergnügen versagen?" Nun, dieser Beitrag behandelt einige der Dinge, auf die Menschen verzichten, die Auswirkungen der Keuschheit, aber auch die Gründe, warum Menschen sich für Keuschheit entscheiden.

Wann der Begriff „Locktober" zum ersten Mal auftauchte, ist unklar, aber es gibt Hinweise darauf in früheren Internetforen und in Beiträgen auf verschiedenen Social-Media-Seiten für Fetischisten (z. B. FetLife). Keuschheitsgürtel gibt es jedoch schon seit Jahrhunderten. Frühe Modelle sollten Menschen davon abhalten, zu masturbieren, weil dies als unmoralisch, schädlich oder Energieverschwendung angesehen wurde, oft gegen ihren Willen als medizinische Maßnahme.

Kinkster erkannten, dass Keuschheitsvorrichtungen im Kink-Kontext als Erweiterung des Machtspiels durch die „Kontrolle" von Masturbation und Orgasmus eingesetzt werden können. Was genau gibt man also auf, wenn man eine Keuschheitsvorrichtung trägt?

Die Vorzüge der Selbstbefriedigung (Wichsen/Onanieren)

Denke an deinen letzten Orgasmus durch Masturbation zurück („"Entschuldige, falls du gerade verschlossen bist, während du dies liest"). Beim Orgasmus fühlen wir uns gleichzeitig berauscht und entspannt. Einige beschreiben einen Moment extremer Lust, in dem sie alles um sich herum vergessen. Das liegt daran, dass unser Gehirn beim Orgasmus verschiedene Chemikalien ausschüttet, die dafür sorgen, dass wir uns gut fühlen – und zwar so richtig gut. Aber warum ist das so?

Eine kurze Lektion in Biologie: Aus evolutionärer Sicht sind Orgasmen äußerst wichtig. Sie entstehen durch Sex; beim Sex werden Babys gezeugt; Babys tragen unsere Gene weiter; das ist wiederum wichtig für das Überleben. Über Hunderttausende von Jahren haben wir uns so entwickelt, dass Orgasmen so angenehm sind, dass wir mehr Sex haben und mehr Babys zeugen wollen. Es ist natürlich komplexer als das, aber so bekommen wir zumindest ein grundlegendes Verständnis davon. Auch wenn wir uns beim Sex heute vielleicht weniger darauf konzentrieren, Babys zu zeugen, bleibt das Resultat doch dasselbe – Orgasmen sind immer noch verdammt geil.

Bevor wir darüber nachdenken, warum Menschen die Selbstbefriedigung aussetzen, ist es wichtig, mit einem Mythos aufzuräumen – der Vorstellung, dass Selbstbefriedigung schädlich oder schlecht für einen ist.

Masturbation und Orgasmen haben zahlreiche Vorteile – bei Männern werden Orgasmen mit einem höheren Selbstwertgefühl, einem besseren Verständnis der eigenen sexuellen Lust, einem gesünderen Immunsystem und sogar einem geringeren Risiko für Prostatakrebs in Verbindung gebracht. Einige Männer berichten auch, dass Masturbieren eine Möglichkeit sein kann, sich zu entspannen und die Schlafqualität zu verbessern. In diesem Zusammenhang erzählten mir meine neurodivergenten Freunde, dass sie masturbieren, um ihre Emotionen oder Sinneserfahrungen zu regulieren (z. B. reduziert Masturbation Angstgefühle).

Aber Achtung: Nur weil etwas miteinander in Verbindung steht, heißt das noch lange nicht, dass das eine das andere verursacht. In diesen Bereichen wird noch geforscht.

Es gibt eine Reihe kultureller und historischer Quellen, die viele Fehlinformationen über Masturbation (und die „möglichen Gefahren" der Masturbation) verbreiten. In der viktorianischen Ära in Großbritannien wurde Masturbation beispielsweise als eine Sucht von Kranken angesehen.

Kürzlich sind Fehlinformationen durch das mit Locktober verwandte Phänomen „No Nut November" oder „NNN" entstanden. NNN ähnelt Locktober insofern, als es dazu auffordert, während des Monats November auf Masturbation/Orgasmen zu verzichten, jedoch ohne den Einsatz von Keuschheitsvorrichtungen. NNN wurde durch die „No Fap"-Online-Communities populär gemacht – Communities, die die „Vorteile" des Verzichts auf Masturbation propagieren. Diese Behauptungen sind jedoch nicht durch Forschungsergebnisse belegt.

Der Verzicht auf Masturbation und Orgasmen über einen längeren Zeitraum erhöht nicht den Testosteronspiegel, kann zu negativen Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit führen und statt die Konzentration zu steigern, kann er uns aufgrund unserer sexuellen Erregung sogar weniger konzentriert machen! Durch den Verzicht kann man zwar letztendlich mehr Sperma produzieren, aber es gibt auch eine Grenze dafür, wie groß die Menge sein kann.

Warum sollte jemand angesichts all dieser Vorteile also freiwillig am Locktober teilnehmen wollen?!

Beweggründe für Keuschheit und Locktober

Laß dich durch die erste Hälfte des Artikels nicht davon abhalten, Keuschheit auszuprobieren, wenn du daran interessiert bist. Und falls du bereits verschlossen bist, renne nicht los, um dich zu befreien (ohne die Erlaubnis von der Person, die deinen Schlüssel hat). Ein häufiges Motiv meiner Beiträge ist, dass es bei Kink um Ausgewogenheit geht, und Keuschheit ist da keine Ausnahme.

Keuschheit kann eine sub/Dom-Dynamik über das Schlafzimmer oder den Darkroom hinaus erweitern. Es ist leicht, sich an diese Dynamik zu erinnern, solange man sich im selben Raum befindet, aber es kann schwierig sein, diese Dynamik aufrechtzuerhalten, wenn man von der anderen Person getrennt ist, insbesondere im normalen Alltag. Keuschheitsvorrichtungen sorgen für eine konstante physische Erinnerung an diese Dynamik - auf der Toilette, wenn man sich anzieht, ins Fitnessstudio geht und schließlich damit einschläft. Sie erinnern einen jeden Tag daran, dass jemand den Schlüssel zu den eigenen Genitalien und Orgasmen besitzt oder dass man selbst den Schlüssel zum Vergnügen einer anderen Person besitzt.

Die Dynamik des Machtaustauschs erfordert sowohl von subs als auch von Doms eine gewisse Bereitschaft zur Zusammenarbeit, und Keuschheit kann ein guter Beitrag und ein Zeichen des Engagements für diese Dynamik sein. Der sub verzichtet auf einen Teil seiner sexuellen Befriedigung, während der Dom die Verantwortung für die Schlüssel zum Keuschheitsgerät übernimmt und sich verpflichtet, ständig Nachrichten vom sub zu akzeptieren, in denen dieser seine Erregung zum Ausdruck bringt.

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie körperliches und psychisches Vergnügen im Bereich Kink erreicht werden kann, und Keuschheitsvorrichtungen sind eine perfekte Erweiterung dieser Devise. Sie bieten einen sehr visuellen Hinweis darauf, dass die Genitalien nicht zugänglich sind, und können Menschen dazu motivieren, verschiedene Kink-Aktivitäten auszuprobieren.

In diesem Zusammenhang macht Keuschheit Menschen oft geil, und wenn Menschen geil sind, können sie ihre Hemmungen verlieren – daher das Phänomen der Klarheit nach dem Orgasmus. Man kann die Keuschheit ausnutzen und endlich das tun, was man schon immer tun wollte, oder den sub endlich dazu bringen, das zu tun, wovor er sich bisher gescheut hat.

Keuschheitsvorrichtungen können auch ein guter Indikator dafür sein, welche Art von Aktivitäten jemand bei Kink- oder Cruising-Events mögen könnte. Es ist nicht immer so, dass jemand, der keusch ist, auch sub/bottom ist, und ich habe auch schon mehrere Doms gesehen, die keusch sind (was ein lustiger Kopf-Fick ist), aber es ist ein guter Indikator. Zumindest ist es ein guter Gesprächsaufhänger! Außerdem gibt es mittlerweile eine große Auswahl an Designs für Keuschheitsgürtel, sodass sie zu heißen Kink-Accessoires werden können.

Natürlich muss Keuschheit nicht zwangsläufig Teil einer interpersonellen Dynamik sein. Du kannst dich selbst in Keuschheit begeben, dir selbst das Vergnügen verweigern und die Dynamik der Keuschheit ganz alleine genießen. Ich kenne viele subs, die sich oft selbst einsperren, um einen unterwürfigeren Geisteszustand zu kreieren.

Sollte ich mich also keusch halten?

Die Entscheidung, sich auf Keuschheit einzulassen, liegt ganz bei dir, und ich werde mich nicht dafür oder dagegen aussprechen. Keuschheit kann im richtigen Kontext Spaß machen und eine Machtdynamik bereichern. Es kann auch Spaß machen, auf eigene Faust zu experimentieren, indem du ein Keuschheitsgerät trägst und herausfindest, wie du dir sonst noch Lust bereiten kannst (z. B. indem du andere Körperregionen erkundest).

Locktober kann ein Vorwand sein, sich auf Keuschheit einzulassen, indem man sich einer Kink-Community anschließt. Die verschiedenen Recon-Podcasts, Blogs und Social-Media-Beiträge (#locktober) können einem das Gefühl geben, Teil einer Gruppe von Menschen zu sein, die gemeinsam geilen Spaß haben. Man kann mit anderen über die Schwierigkeiten beim Pinkeln mit einem Keuschheitskäfig und die Bedenken sprechen, die man hat, wenn er sich in den Unterwäsche-Selfies abzeichnet.

Wer neugierig auf Keuschheit ist, kann den Rest des Locktobers nutzen, um sich damit auseinanderzusetzen. Ein oder zwei Wochen sind ein perfekter Einstieg in das Keuschheitsspiel und ein realistisches Ziel. Falls du dich dazu entscheidest, schick mir aber bitte keine Nachrichten, in denen du mir ständig erzählst, wie geil du bist (ich habe dich gewarnt!).


***Falls du eine Fetisch- oder Kink-Erfahrung in einem Beitrag für Mitglieder teilen möchtest, sende deine Ideen oder einen ersten Entwurf an: social@recon.com

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